2010
Coronado
Originaltitel: Coronado
Autor: Dennis
Lehane
Übersetzer: Resel Rebiersch
Illustration: Jacques
de Loustal
Verlag: Schreiber
& Leser -
Farbe
Erschienen: Juni
2010
ISBN: 978-3-941239-41-8
Seitenzahl: 96 Seiten,
broschiert
€ 16,80
Dennis Lehanes/Loustal
Dennis Lehanes Antwort auf Hammetts Nick & Nora Charles, das PI-Pärchen
Kenzie & Gennaro, gehörte zu den erfreulichsten Wiederbelebungsversuchen des
guten, alten Privatdetektiv-Romans in den 1990er Jahren. Richtig erfolgreich
wurde Lehane dann allerdings mit eher epischen („Mystic River“), leicht
episch-spökenkiekerischen („Shutter Island“) und seit neuestem episch-historischen
(„Im Aufruhr jener Tage“) Romanen, die, nebenbei bemerkt, einen leichten
Hauch ambitionösen Bebens haben. Seine Kurzgeschichten (versammelt in dem
Band „Coronado“) hingegen sind erfreulich lakonisch, darunter eben auch die
Geschichte „Bis Gwen“, die dann zu einem Theaterstück wurde und als solches
„Coronado“ heißt.
„Bis Gwen“ wurde aber auch zu einem wunderbaren Comic namens „Coronado“,
gezeichnet von Jacques de Loustal alias Loustal, dessen großartige Bilder
schon Mythomanen wie Jerome Charyn und Romantiker wie Tito Topin zu
ersprießlichsten Kooperationen gereizt haben. „Besame Mucho“ (das Szenario
stammt von Phillipe Paringaux) schließlich war Loustal Hommage an den
französischen Tenorsaxophonisten Barney Wilen, der bei Miles Davis´
epochaler Fahrstuhl-zum-Schaffott-Musik dabei war, die den Sound des noir
sozusagen materialisiert hatte.
In diese Stimmungslage fügt sich nun perfekt das streng in 5. Akten erzählte
Drama eines letalen Vater-und-Sohn-Konfliktes, ein Lieblingsthema von Lehane.
Die flächigen, sehr bunten und sehr stilisierten Bilder von Loustal, in
denen nur wichtige Details angedeutet werden, und die manchmal schon fast in
der Nähe der Abstraktion siedeln, transportieren entweder Atmosphären und
Stimmungen (das alte, aber immer faszinierende Thema: Nacht und Licht; blau
und gelb) oder über die Körpersprache der Figuren, die nach drei weiteren
Abstraktionsschritten nur noch Icons wären, Dispositionen, Situationen und
Befindlichkeiten. Text und Dialog sind sparsam. Die Bilder sprechen für sich,
das Verhalten der Menschen auf den Bildern erst recht. Und so entsteht ein
transparentes, luzides und gleichzeitig rätselhaftes Kunstwerk, das vor
allem von der ästhetischen Autorität der Bilder lebt. Die kann, wenn es gut
geht, die narrative Dominanz einer Geschichte brechen. Hier haben wir einen
solchen Fall. Ein grandioser Comic.
Text von Thomas Wörtche
http://www.buch-pr.de/thema_127.shtml
http://www.sistyle-blog.ch/post/2010/06/24/Buchtipp-zum-Wochenende-CORONADO.aspx |
Coronado (Lehane /
Loustal)
Als Bobby aus der Haft entlassen wird, steht am Tor sein
Vater mit einem gestohlenen Buick Skylark, ein paar
Gramm Koks im Handschuhfach und der Hure Mandy auf dem
Rücksitz …
Die Grundidee der Handlung
Hauptpersonen sind Vater und Sohn, beides Kleinganoven,
die sich nach Bobbys Entlassung aus dem Gefängnis auf
Spurensuche nach einem verschollenen Hochkaräter begeben.
In Rückblenden erfährt man, dass die Beiden vor vier
Jahren zusammen mit Bobbys damaliger Freundin Gwen
vorhatten, einen Minenarbeiter um seinen illegal
erworbenen Reichtum, sprich Diamanten, zu erleichtern.
Die Aktion schlug fehl, Bobby wurde angeschossen,
landete im Gefängnis und Gwen machte sich mit dem
Diamanten aus dem Staub. Bobbys Vater hielt sich
indessen mit Scheckbetrügereien über Wasser.
Zusammen mit zwei anderen Titeln läutet Coronado bei
Schreiber & Leser deren neues Label noir ein.
Illusionslosigkeit, Täuschung und Rache sind die
tragenden Elemente des Comics, der sich wie ein düsteres
Roadmovie liest und dessen Plot eine Adaption von Dennis
Lehanes Kurzgeschichte Bis Gwen ist. Der renommierte
amerikanische Krimiautor lieferte schon die Vorlagen für
erfolgreiche Hollywoodverfilmungen wie Mystic River und
Shutter Island. Die spannend aufgebaute, puzzleartige
Geschichte ist viel zu schnell ausgelesen, denn nur
wenig Text begleitet die halb- und einseitigen Panels.
Dafür ist jeder Satz von Bedeutung, ein aufmerksames
Lesen unabdingbar. Loustals künstlerisch sehr
anspruchsvolle Illustrationen und die damit
heraufbeschworene coole Atmosphäre machen aus dem Comic
ein Gesamtkunstwerk.
Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Loustals Artwork ist die perfekte Verschmelzung von
Expressionismus und Pop-Art mit hart wirkenden,
schwarzen Umriss- Schattierungs- und
Akzentuierungslinien, poppigen, kräftigen Farben und
teilweise leicht verzerrten Abbildungen. Mal wirkt es
kühl und unwirklich, dann wieder warm, jedoch haftet ihm
stets eine betrübliche Trostlosigkeit an. Die recht
großen Panels üben eine magische Anziehungskraft aus, so
dass einem das Lesen vorkommt, als würde ein Film z.B.
von Quentin Tarantino vorbeiziehen. Hier herrscht die
gleiche düster-coole, aussichtslose Stimmung mit
schmierigen Kleinkriminellen, für die Töten fast schon
Nebensache ist.
Die atmosphärischen Hintergründe sind ganz großes Kino.
In der Eröffnungsszene steht ein unendlicher,
strahlendblauer Horizont symbolisch für Bobbys frisch
erlangte Freiheit. Wenige Augenblicke später schimmert
ein zartgelbes, unwirkliches Licht von außen in den
Wagen, dessen drei Insassen mit aufgesetztem,
unwichtigem Geschwätz nur ihre Befangenheit überspielen
wollen. Genauso wird der Showdown am Schluss in ein
dominierendes Licht gehüllt, diesmal in sattes Nachtblau.
Dazwischen spannt sich ein stimmungsvoller Bogen, der
sich aus dem schmuddeligen Interieur eines billigen
Hotelzimmers, leergefegten Straßen und trostlosen
Gebäudefassaden anonymer Industriestädte oder der
sterilen Nüchternheit eines Altenpflegeheimes nährt.
Ein Krimi wäre kein Krimi, würden ihn nicht ein paar
Tote und Schießereien zieren. Das verhält sich in
Coronado nicht anders, jedoch spielen diese Elemente
eine eher untergeordnete Rolle und ihre Darstellung
beschränkt sich auf ein Minimum an Gewalt und Blut.
Als großen Schwachpunkt in den Grafiken empfand ich die
mangelnde Fähigkeit einer Figurencharakterisierung.
Oftmals zweidimensional dargestellte Protagonisten oder
abgestumpft wirkende, nichtssagende Mienen, die
unmöglich zu deuten sind, schaffen ein Gefühl von
Distanz und blutloser Staffage. Die ganze Zeit über
bleibt man externer Beobachter mit geringer Anteilnahme.
Die Geschichte ist in 5 Akte unterteilt, die
gleichzeitig auch gegenwärtige und rückblickende
Handlungsstränge klar voneinander trennen – abgesehen
von zwei Ausnahmen: in den 1. Akt der Gegenwartshandlung
sind zwei ganzseitige Rückblende-Panels eingeschoben,
deren Schwarz-Weiß-Optik sie dennoch leicht erkennbar
macht. Eine einheitliche Handhabe für die Darstellung
der Vergangenheit hätte ich allerdings besser gefunden.
Pro Seite hat man überwiegend zwei Panels (gelegentlich
auch nur eines) mit 0,5 cm Abstand auf weißem Untergrund
platziert. Das Schriftbild zeigt sich sowohl in den
rechteckigen Textblasen als auch im Erzähltext
einheitlich in Großbuchstaben. Wie schon eingangs
erwähnt, kommt der Comic mit wenig Dialog aus, der dann
den sprechenden Personen immer eindeutig zuordenbar ist.
Dies mindert aber keinesfalls das Verständnis für die
Handlung oder die Qualität der Erzählweise. Der
Erzähltext befindet sich immer unterhalb der
Illustrationen auf weißem Untergrund. Soundwords
begegnet man äußert selten. Sie fügen sich stets
unauffällig in die Illustrationen ein.
Aufmachung des Comics
Wie für Schreiber & Leser typisch, ist auch dieser Comic
eine fadengebundene Klappenbroschur, was ihn langlebiger
und hochwertiger macht als die sonst üblichen ‚nur‘
geklebten Broschuren. Er hat Graphic Novel-Format, das
irgendwo zwischen A4 und A5 liegt. Auf den beiden
Klappen befinden sich jeweils die Autoren- und
Zeichnerporträts. Die Seiten im Innenteil bestehen aus
einem etwas dickeren, rohweißen, schön griffigen Papier.
Im Anhang sind die zwei anderen noir-Titel aufgeführt
sowie alle von Loustal illustrierten Comics bei
Schreiber & Leser.
Eine Laterne strahlt einen kleinen Teil der ansonsten
dunkel gehaltenen Coverszenerie an. Im Vordergrund fällt
Gwens unbewegtes Profil mit den markanten roten Lippen
in den Spot der Lampe. Der Rest – Bobby und der Buick
seines Vaters – ist kaum in der Dunkelheit zu erkennen.
Autoren-, Zeichner- und Titelnamen heben sich in
strahlendem Weiß vorteilhaft vom nachtblauen Hintergrund
ab. Das Cover ist zweifellos eigenwillig, vermittelt
aber einen guten Eindruck über den Buchinhalt. Auf dem
schwarzen Untergrund der Rückseite richtet sich das Auge
des Betrachters sofort auf eine helle, kleine
Illustration aus dem Comic, darunter ist in weißer
Schrift die Inhaltsangabe abgedruckt.
Fazit
Mit der Bewertung tue ich mich diesmal schwer, stehe ich
dem Comic zwiespältig gegenüber. Geboten wird eine
spannende, coole Gaunergeschichte, eingebettet in eine
atmosphärische, individuelle, anspruchsvolle Optik. Ich
würde Coronado als stimmig konzipiertes Gesamtkunstwerk
bezeichnen, gleichzeitig birgt sich darin seine größte
Schwäche: mangelnde Charakterzeichnung unterbindet
jegliche Anteilnahme und Identifikation.
Hinweise
Rezension von Annette Knebel
http://www.leser-welt.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2807:coronado-lehane-loustal&catid=164:krimi&Itemid=148 |
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von Peter Sowade
aus der Thalia-Buchhandlung in Berlin, Badstraße (12.08.2010)
International-genial
Der Amerikaner Dennis Lehane ist einer der international besten
Krimi-Autoren. Mit „Mystic River“ und „Shutter Island“ wurden
auch zwei seiner Romane erfolgreich verfilmt und damit einem
noch größeren Publikum präsentiert.
Der Franzose Jacques de Loustal zeichnet sich nicht nur durch
einen absolut unverwechselbaren Stil aus, er hat vielmehr mit
der Umsetzung zweier Krimis des New Yorkers Jerôme Charyn schon
einschlägige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit US-Krimi-Autoren
und deren Texten gesammelt.
Wenn sich nun Boston und Paris zu einer kleinen, gemeinen
Noir-Story zusammenschließen, ist nicht nur Horizonterweiterung
bei den Krimi-Fans angesagt. Lehane und Loustal schaffen es
vielmehr durch perfide schleichenden Spannungsaufbau, verpackt
in eben die genau dazu passende grob-steife Comic-Kunst, ein
keines Meisterwerk aufs Papier zu bringen.
Und gerade diejenigen, denen Loustal schon immer zu wenig Comic
und zuviel Kunst war, bekommen eine neue, wunderbare Chance, die
eigenen Vorurteile zu revidieren.
Loustal und Lehane – eine international-geniale Verbindung.
http://www.thalia.de/shop/tha_homestartseite/rezartikel/coronado/jacques_loustal/ISBN3-941239-41-4/ID20940606.html
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