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  Interview mit Jacques de Loustal 
Comic Reddition, nr. 15 edition Alfons, 1989

Dossiere: LOUSTAL : Von Volker Hamannl p. 53 -67 

"Unsere erste Frage bezieht sich auf das Projekt "Barney et la note bleu". In dieser arbeit geht es ja um den Hintergrund Jazzmusik. Wie hast Du den Musiker Barney Wilen kennen gelernt und wie kam es zur Zusammenarbeit mit Paringeaux?

Loustal: Das Album war eine Idee meines Szenaristen Paringeaux.
Als Jazzfan kannte er den Musiker Barney Wilen und war seit seiner Jugend ein großer Verehrer dieses Musikers. Paringeaux war es auch, der sehr an der Person des Musikers und Menschen Barney Wilen interessiert war, der, früher sehr berühmt, später dann in Vergessenheit geriet. Er war für Paringeaux ein faszinierender Charakter.

Läßt das Team Loustal / Paringeaux die Comicfigur Barney dann auch aufgrund der so engen Verwandtschaft mit dem realen Musiker Barney Wilen sterben?

  Loustal: Ja, die Comicfigur Barney spiegelt schon sehr genau den Charakter und die Person des realen Musikers wider. Aber im Gegensatz zum Comic lebt der wirkliche Barney Wilen noch. Er war wichtig zur Charakterisierung der Hauptfigur im Comic und um einen realen Einstieg in die Geschichte zu finden. Die ersten Seiten des Comics sind sehr der Wirklichkeit nachempfunden.

Wie hat der Musiker Barney Wilen "seinen" Tod in einem Comic aufgefasst?

  Loustal: Da die in unserer Geschichte dargestellten Ereignisse sehr typisch sind für eine Reihe von real existierenden Jazzmusikern, identifizierte sich Barney Wilen nicht so sehr mit seinem Abbild in "Barney et la note bleu".
Paringeaux und ich haben diese Verallgemeinerung dadurch gekennzeichnet, das im Album nur von einem "Barney" die Rede ist und niemals sein voller Name genannt wird. Genauso werden in der Comicfigur' andere Jazzmusiker wie Dave Brubeck und Stan Getz "verarbeitet".

Ist es auch diese Art Jazz, die Du magst? 

  Loustal: Es ist eine Musik, die ich sehr gerne höre und die ich durch die Arbeit am Album "Barney et la note bleu" kennen gelernt habe. Die Jazzmusik allgemein kannte ich bis dahin als Filmmusik des "film policier"/"film noir" der 60er Jahre.

 Dann ist Dir bestimmt auch der Film "L'ascenseur pour l'echafaud" (Frankreich 1957, Regie: Louis Malle) in bester Erinnerung?

   Loustal:  Ja, ja ... auf jeden Fall!

 Und wie steht es mit "Round Midnight" von Bertrand Tavernier? Der Film erzählt ja sehr genau die Lebensgeschichte des Jazzmusikers Bud Powell in Paris. Hat der Film aufgrund einiger Parallelen zu Eurem Comic einen Einfluß auf Dich gehabt?

  Loustal:  Den Film "Round Midnight" habe ich erst nach Beendigung von "Barney et la note bleu" gesehen, so konnte er meine Arbeit auch nicht beeinflussen. Es stimmt aber, dass dadurch, dass der Jazz in unserer Zeit neu entdeckt wird, gewisse Parallelen bestehen. Es ist eine Modeerscheinung.

 Ich möchte weitergehen und Dich nach Deiner Zusammenarbeit mit Paringeaux einiges fragen. Für meine Begriffe haben alle diese Alben, die in Zusammenarbeit mit Paringeaux entstanden, eine bestimmte Atmosphäre, die sich durch sie hindurch zieht wie ein roter Faden.

Loustal:  Ich habe Texte von Paringeaux in dem Musikmagazin "Rock & Folk" gelesen, und ich mochte diese Texte sehr gerne. Anders herum gefielen auch Paringeaux meine Arbeiten, meine Zeichnungen. Wir entdeckten eine gewisse Gemeinsamkeit dessen, was wir mit unseren Arbeiten ausdrücken wollten. Es war ein glücklicher Zufall, dass wir uns trafen.

Man kann in Euren gemeinsamen Arbeiten eine bestimmte Atmosphäre ausmachen ... ich möchte sie umschreiben mit Schwüle, Dekadenz, Wärme, ein gewisser Fatalismus, die Menschen "strömen"einfach so durch das Leben ...

Loustal:  Diese Stimmung, also die Wärme, die Schwüle erkläre ich mir mit meinen Eindrücken während vieler Reisen in Länder, wo die Leute schwitzen müssen. Es sind aber auch Eindrücke, die das neue amerikanische Kino vermittelt, welches ich sehr gerne mag. Hinzu kommt, dass Paringeaux dieselben Dinge mag wie ich, unser gemeinsamer Geschmack triff sich hier.

Zum Stichwort Kino: In Euren Comics trifft man auch sehr oft auf Klischees, Elemente des klassischen Hollywood-Kinos der 30er und 40er Jahre, teilweise auch der 50er Jahre. Ich denke da an Filme mit Humphrey Bogart, Clark Gable. Lässt Du Dich durch diese Filme inspirieren?

Loustal:  Dazu muss ich sagen, dass Paringeaux 10 Jahre älter ist als ich, und da ist es schon fast eine Generationsfrage, welches Kino man liebt. Paringeaux ist sehr vom Kino der 30er und 40er Jahre begeistert, ich hingegen, eben eine Generation später, bin mehr für Filme der 60er Jahre zu haben. Sicher sind mir die klassischen Hollywood-Filme ein Begriff, einen Einfluss auf mich haben aber eher die Filme von Don Siegel, Clint Eastwood ...

Also eher das moderne 'Action-Kino"...

Loustal: Ja, würde ich so sagen ...

Gehen wir mal zu den Figuren, die in Euren/Deinen Comics handeln. Auch hier sehe ich gewisse Gemeinsamkeiten. Es sind oft Personen, die sich in eine Handlung verstricken und in dieser Handlung weitertreiben, meist auf ein böses Ende zu. Vor allem Deine Frauen machen auf mich diesen Eindruck; sie suchen verzweifelt nach Liebe, nach Glück, während die Männer meist unbeteiligt daneben stehen und eher heroisch wirken.

 

Loustal: Paringeaux und ich lassen eine Handlung oft zur Farce werden. Das ist' dann alles andere als komisch und zieht zwangsläufig ein unglückliches Ende nach sich. Allerdings kann ich die Charakterakterisierung der  Figuren dadurch,  dass ich sie zeichne, nur wenig  beeinflussen. Ich  verlasse mich voll auf meine Szenaristen und setze  gerne deren Texte  in Zeichnungen  um. Für mich ist  das Szenario sehr  wichtig, die  Epoche, die Zeit der Handlung und  der Ort. Das sind  drei Punkte, die  für mich stimmen  müssen, damit ich  gerne zu arbeiten  beginne. Der  Versuch, der Ge schichte durch  meine Zeichnungen eine bestimmte Psychologie zu verleihen, interessiert  mich auch nicht;  ich akzeptiere die Arbeit des Szenaristen.

Du siehst Dich also mehr als reiner  Illustrator von  Texten ?

Loustal: Genau ...    

Loustal: Schon Deine  ersten Arbeiten, ich  denke da zum Bei spiel an "Zenata  Beach", illustrieren  ja weitgehend kleinere Texte, die  dann unter dem  Bild stehen. Ich sehe aber auch, dass  Du Dich immer  wieder zum "klassischen Comic-Künstler" entwickelst. In  einem Deiner  neueren Werke verwendest Du bei Spielsweise Sprechblasen. Siehst Du in  dieser Art der Er Zählung eher zu künftige Chancen,  möchtest Du weg kommen von der  reinen Illustration?

Loustal: Es sind Stationen in meiner Entwicklung. Ich habe  Lust, allerlei Aus drucksmittel des  Comic kennen zu lernen. Stile,  Graphik, Sprechblasen sind nur Versuche in dieser Entwicklung, was nicht heißt, dass ich dabei bleibe.

Damit gehst Du ja auch mehr auf Deine Leser ein. Es ist nicht das "normale, comiclesende" Publikum, welches sich für Deine Arbeiten begeistert, sondern eher eine Kunstorientierte Leserschaft, die eine Ader, den Blick für die Kunst hat.

Loustal: Ich möchte keine bestimmte Gruppe mit meinen Comics ansprechen. Ich mache ganz einfach Bilder, die einen gewissen künstlerischen Anspruch haben und somit auch Comics, die sehr von der Kunst beeinflusst sind.

Kommen wir noch einmal zurück auf Deinen Stil. Siehst Du eventuelle Vorbilder von Dir in der klassischen modernen Malerei? Gibt es da auch einen Zusammenhang zu Deinem Architekturstudium?

Loustal: Ich bin Architekt. Sicherlich hat mich mein Studium in dieser Hinsicht beeinflusst, so wie es meinen Blick für diese Dinge beeinflusst.

 Aber Du bist nicht als Architekt tätig verdienst Deinen Lebensunterhalt als Zeichner. Da ist es doch wahrscheinlicher, dass Du Dir Inspirationen aus Verwandtären Gebieten holst, eben der klassischen modernen Malerei.

Loustal: Na klar, die Malerei dieses Jahrhunderts und die Architektur der 30er Jahre haben mich schon sehr fasziniert, es ist der Realismus all dieser Dinge, im speziellen der ' 20er und 30er Jahre, der mich interessiert. Eduard Dupeur, Beckmann, Modigliani, Matisse...

Besonders Deine späteren Sachen, im speziellen das Portfolio Escales , erinnern mich sehr stark an Modigliani.

Ja, das sehe ich auch. So ein bisschen Matisse, ein bisschen Modigliani...  

Du hast einen sehr stilisierten, relativ abstrakten und auch ein wenig naiv wirkenden Zeichenstil... vor allem bei Deinen Personen. Wie verträgt sich dies mit dem angelernten, akademischen Strich des technischen Zeichnens während Deines Studiums?

Loustal: Du hast recht. Eigentlich zeichne ich sehr realistisch. Aber durch meine Personen, oder vielmehr deren Darstellung nehme ich Distanz zum so genannten akademischen Strich, um abstrakt zeichnen zu können. Dazu bieten sich meine Personen in den Comics an. Es ist mein Stil. Gerade wenn meine Figuren realistisch sein sollen, dann zeichne ich eine Kleinigkeit, ein Detail unrealistisch. Zum Beispiel einen kleinen Hund ...

Einen "Schweinehund"...

Loustal: Ja, Hunde haben für mich etwas groteskes. Diese Hunde, wie ich sie zeichne, passen ganz gut zum Ambiente, das ich nicht mag, das aber eine Stimmung ausstrahlt, die ich wiederum sehr gern habe und die ich durch ein komisches Tier, durch Löcher in den Wänden, eine Eidechse unterstreiche. Es ist diese Stimmung, die man in Ländern wie Afrika antrifft.  

Du machst Dich also auch eire wenig liber theses Ambiente, dieses Klischee lächerlich?

Loustal: Nein, Einde ich nicht. Diese Details gehören Figur mich zur Atmosphäre dazu, sie ergänzen die Szenerie, erweitern sie...

Woher kommen die Gesichter, die Du malst. Sind es reale Gesichter oder entspringen sie Deiner Phantasie?

Loustal: Ich bin wahrscheinlich unfähig, ein reales Gesicht zu zeichnen. Daher entstammen alle meine Personen auch meiner Phantasie. Nicht deren Charakter, aber ihre Physiognomie.

  Zum Schluss noch die Frage, ob Du Dir vorstellen kannst, nicht nur Illustrator, sondern auch Autor eines Comics, einer Geschichte zu sein?

Loustal: Nein. Ich bin mir bewusst geworden, Zeichner vieler Bilder zu sein, aber anscheinend bin ich untalentiert, eine Geschichte zu schreiben.  

Ich glaube, dass Deine Bilder oft mehr zu erzählen haben, als der begleitende Text.  

Loustal: Eben. Meine Zeichnungen, meine Malereien sind eine Anekdote. Sie alle sind für sich eine kleine Geschichte, aber ich schaffe es nicht, eine Verbindung zwischen ihnen zu schaffen. Deshalb sind auch alle Geschichten, die ich geschrieben habe, sehr kurze Geschichten.

Interview Agnes Borie Grenoble 1989.

 



Diesem Artikel lag folgende Sekundärliteratur zugrunde: "P.L.G.P.P.U.R." Nr.21, 1986. Interview Mit und Bibliographie über Loustal "Eine grafische Kunst -Der französische Comic", Elefanten Press 1988. Katalog zur Ausstellung französischer Comiczeichner im Centre Culturel. Francais in Berlin. Analyse einer Seite aus "Barney et la note bleue" und Kurzevorstellung Loustals.
Presseheft zu Bertrand Taverniers film "Round Midnight" Herausgegeben von der Warner- Columbia Filmverleih GmbH 1986. Unendlich Augenblicke, Verlag Schreiber & Leser; 1988

   


   

© Dossier Loustal p. 60 -53 (!) , in :Comic Reddition, nr. 15 edition Alfons, 1989